Zu gut ist auch nicht gut

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16.10.2018 Die Zeugnissprache hat unzählige Fallstricke. Auch wenn ein Arbeitszeugnis auf den ersten Blick besonders gute Formulierungen enthält, sollte man genau hinsehen.

Das Landesarbeitsgericht Hamm hatte über ein Arbeitszeugnis zu entscheiden, das aus Sicht des Arbeitnehmers eine deutlich zu positive Bewertung enthielt. Dadurch wirke das gesamte Zeugnis übertrieben und lächerlich.

Arbeitnehmer wehrt sich gegen "zu gute" Beurteilung

Arbeitnehmer und Arbeitgeber hatten zuvor einen gerichtlichen Vergleich geschlossen, wonach der Arbeitgeber sich verpflichtet hatte, ein Zeugnis auf der Grundlage eines Entwurfs des Arbeitnehmers zu erstellen. Nachdem der Zeugnisentwurf vorlag, hat der Arbeitgeber diesen in einzelnen Punkten abgeändert, indem der die Beurteilung deutlich verbessert hat. So wurde dem Arbeitnehmer bescheinigt, dass er *eine "extrem gute Auffassungsgabe" habe,

  • seine Aufgaben mit "äußerst beispielhaftem Engagement" ausführte,
  • "extrem gut" entwickelte Fähigkeiten und ein
  • "extrem freundliches" Wesen habe.

In der zusammenfassenden Beurteilung hieß es: "Wenn es eine bessere Note als 'sehr gut' geben würde, würden wir ihn damit beurteilen."

Wann ist ein Zeugnis ernst zu nehmen?

Die einzelnen "extrem" guten Bewertungen waren in diesem Fall nicht unbedingt das Problem, aber durch die Häufung dieser Steigerungen wird das gesamte Zeugnis ins Lächerliche gezogen. Es lässt sich dabei keine feste Grenze festlegen, wann eine Beurteilung tatsächlich ernst gemeint und positiv zu bewerten ist, und wann es sich um eine bewusste Übertreibung handelt.

Es kommt auf den Gesamteindruck des Zeugnisses an - wie würde ein außenstehender, unbefangener Leser das Zeugnis verstehen? Wirkt es glaubhaft und ehrlich gemeint, oder überzogen und lobhudelnd?

Nach der Rechtsprechung müssen Arbeitszeugnisse den Grundsätzen der Zeugniswahrheit und der Zeugnisklarheit entsprechen. Ein Zeugnis muss also wahrheitsgemäß die Tätigkeit, die Leistung und das Verhalten der Person widergeben und in sich verständlich und widerspruchsfrei sein.

Widersprüche fallen sofort auf

Wichtig ist deshalb auch, dass in einem Arbeitszeugnis keine widersprüchlichen Aussagen auftauchen. Dadurch werden positive Beurteilungen automatisch wieder entwertet.

So stand in dem Zeugnis, um dass es hier vor dem Landesarbeitsgericht ging, als Beendigungssatz: "Herr F. verlässt unser Unternehmen auf eigenen Wunsch, was wir zur Kenntnis nehmen."

Die Kündigung eines Mitarbeiters, der "besser als sehr gut" ist, wird in aller Regel nicht "zur Kenntnis genommen", sondern zumindest bedauert. Dies entspricht auch den gängigen Zeugnisformulierungen. Der Satz zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses lässt deshalb die gesamte vorherige Beurteilung ebenfalls als absurd und nicht ernst gemeint erscheinen.

Zeugniskorrektur ist auch vollstreckbar

Da der Arbeitgeber sich im Vergleich verpflichtet hatte, das Zeugnis nach einem Entwurf des Arbeitnehmers zu erstellen, durfte er hiervon nur mit wichtigem Grund abweichen. Für die "Verbesserungen" gegenüber dem Entwurf, die das Zeugnis insgesamt zu einer Lachnummer gemacht haben, gab es keinen Grund.

Der Arbeitgeber war deshalb nach der gerichtlichen Entscheidung verpflichtet, das Zeugnis entsprechend dem Entwurf des Arbeitnehmers, ohne die vorgenommenen Änderungen zu formulieren. Im Rahmen des bereits laufenden Zwangsvollstreckungsverfahrens wurde ihm ein Zwangsgeld auferlegt, weil er den gerichtlichen Vergleich nicht ordnungsgemäß umgesetzt hatte.

Die IG Metall berät gerne vor Ort bei Arbietszeugnissen

Autor: Mirko Schneidewind, Rechtsschutzsekretär, Leipzig

Letzte Änderung: 12.10.2018