Pressemitteilung

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29.02.2024 Empirische Befunde sind alarmierend - Jede zweite Rentnerin erhält eine Rente auf Grundsicherungsniveau

DGB schlägt neuen Rentenkonsens vor, um die gesetzliche Rente zukunftsfest zu machen

Zum zweiten Mal hat der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Baden-Württemberg einen Rentenreport für Baden-Württemberg erstellt. Die zentralen Ergebnisse sowie die sich daraus ergebenden Forderungen wurden heute bei einem Pressegespräch vorgestellt.

Kai Burmeister, Vorsitzender DGB Baden-Württemberg: "Die Befunde sind alarmierend. Wenn jede zweite Rentnerin im Land eine Rente unterhalb des Grundsicherungsniveaus von 850 Euro im Monat erhält, müssen wir uns fragen: Erfüllt die gesetzliche Rente ihre Funktion als zentrale Säule der Alterssicherung? Was läuft schief auf dem Arbeitsmarkt, wenn sich immer weniger Männer und Frauen eine auskömmliche Rente erarbeiten können? Bei einem ‚Weiter So" in der Rentenpolitik droht der breiten Mitte der Arbeitnehmerschaft Altersarmut. Hierin liegt eine enorme soziale Sprengkraft. Eine verlässliche Rentenpolitik stärkt den gesellschaftlichen Zusammenhalt. ‚Rente muss reichen!" Das muss rentenpolitischer Konsens sein."

Die wichtigsten Befunde im Überblick:

Die Renten, die Männer beziehen, sinken, während sie bei Frauen aufgrund zunehmender Erwerbstätigkeit steigen. Frauen beziehen durchschnittlich eine Rente von 859 Euro, Männer von 1.427 Euro. Der Gender Pension Gap ist mit 568 Euro weiterhin sehr hoch.

Die gesetzliche Rente wird weniger leistungsfähig. So beziehen Männer, die schon länger in Altersrente sind, im Schnitt 1.427 Euro Rente. Männer, die 2022 neu in den Rentenbezug gekommen sind, erhalten 55 Euro weniger, nämlich nur noch 1.372 Euro.

Beinahe die Hälfte der Neurentner bezieht weniger als 1.400 Euro Rente, mehr als ein Viertel bezieht weniger als 850 Euro und hätte somit Anspruch auf Grundsicherung. Bei Frauen ist dieser Wert mit 49,7 Prozent fast doppelt so hoch. 84,2 Prozent der Neurentnerinnen erhalten weniger als 1.400 Euro Rente.

Grundsicherung im Alter wird von immer mehr Menschen in Anspruch genommen. Bezogen im Jahr 2003 27.164 Menschen im Südwesten von der Regelaltersgrenze an Grundsicherungsleistungen, waren es im Jahr 2022 bereits 66.290. Von ihnen waren deutlich mehr als die Hälfte weiblich.

Einerseits ist die Beschäftigungsentwicklung im Südwesten seit Ende der 90er Jahre sehr positiv. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten ist von 3,7 Millionen (1999) auf 4,9 Millionen (2022) gestiegen. Dieser "Jobboom" ist jedoch vor allem auf einen Zuwachs bei der Teilzeitarbeit zurückzuführen: Von den 4,9 Millionen ist fast jede/r Vierte lediglich in Teilzeit erwerbstätig. Der Anteil der Teilzeitbeschäftigten ist zwischen 1999 und 2022 von 16,9 Prozent auf 27,2 Prozent geklettert.

Insgesamt haben prekäre Beschäftigungsformen - befristete Arbeitsverhältnisse, Teilzeitarbeit, Minijobs und Leiharbeit - zugenommen. So war fast jedes vierte 2022 begonnene Arbeitsverhältnisse befristet. Vor allem Frauen sind im Niedriglohnsektor beschäftigt. Von 992.565 Vollzeit arbeitenden Frauen betrifft das mehr als jede fünfte. Bei den Männern ist fast jeder zehnte betroffen.

Burmeister weiter: "Es ist eine Frage des politischen Willens, ob die gesetzliche Rente wieder zu der starken Säule der Alterssicherung wird. In Deutschland hinkt die Entwicklung der Renten der allgemeinen Wohlstandsentwicklung hinterher. In anderen Industrieländern sind Rentner*innen deutlich bessergestellt als hierzulande.

Mehr Tarifbindung, bessere Rahmenbedingungen für Mütter, eine Anhebung des Rentenniveaus auf mindestens 50 Prozent, eine höhere Beitragsbemessungsgrenze und die Verbreiterung der Einnahmen durch Beitragszahler - all" diese Maßnahmen tragen dazu bei, die gesetzliche Rente zukunftsfest zu machen. Ebenso dürfen höhere Steuerzuschüsse für die gesetzliche Rentenversicherung kein Tabu sein.

Renten unterhalb der Grundsicherungsschwelle von 850 Euro delegitimieren die Sozialversicherung. Wer arbeitet, muss auch im Alter mehr haben als Menschen, die nicht gearbeitet haben."

Einer längeren Lebensarbeitszeit und weiteren Absenkungen des Rentenniveaus erteilte Burmeister eine klare Absage: "Arbeiten bis zum Umfallen kann nicht die Lösung sein. Schon heute ist es so: Wer arm ist, stirbt in der Regel früher. Alle Beteiligten müssen dafür sorgen, dass Beschäftigte das Rentenalter gesund erreichen."

Der DGB appelliert an die Arbeitgeber, die betriebliche Rente zu stärken: "Wir dürfen die Bedeutung der betrieblichen Altersvorsorge keinesfalls unterschätzen. Arbeitgeberfinanzierte Angebote sind eine wesentliche Säule der Altersvorsorge von Beschäftigten. Diese gilt es auszubauen", so Burmeister abschließend.

Ansprechpartner:
Dr. Jendrik Scholz, Abteilungsleiter Arbeits- und Sozialpolitik

Letzte Änderung: 29.02.2024