Pressemitteilung
Werden Beschäftigte nicht nach Tarif bezahlt, kommt dies der Allgemeinheit teuer zu stehen. Das belegen neue Berechnungen des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) auf Datenbasis des Statistischen Bundesamtes für ganz
Deutschland. Aufgrund von Tarifflucht und Lohndumping in Baden-Württemberg werden jährlich 3,8 Milliarden Euro an Sozialversicherungsbeiträgen und 2,3 Milliarden Euro an Einkommensteuer weniger eingenommen. Allein für
die Kommunen bedeutet das 352 Millionen Euro an Steuermindereinnahmen.
Die fehlende Tarifbindung schmälert nicht nur die Einnahmen des Staates und der Sozialversicherungsträger, auch Einkommen und Kaufkraft der Beschäftigten leiden erheblich. Wer in Baden-Württemberg nach Tarif bezahlt
wird, hat im Jahr netto durchschnittlich 1.839 Euro mehr im Portemonnaie als nicht tarifgebundene Beschäftigte. Bei Teilzeitbeschäftigten beträgt dieser Vorteil im Schnitt sogar 3.156 Euro netto. Insgesamt hätten die
Beschäftigten in Baden-Württemberg mit flächendeckender Tarifbindung jährlich rund 5,2 Milliarden Euro mehr Nettoeinkommen.
Martin Kunzmann, Vorsitzender DGB Baden-Württemberg: "Tarifflucht geht jeden etwas an. Denn dadurch entstehen hohe Fehlbeträge: beim Fiskus, bei den Sozialversicherungen und in den Geldbeuteln der Beschäftigten. Dieses
Geld fehlt für Investitionen in Infrastruktur, bezahlbare Wohnungen, Klimaschutz, Gesundheit und in Bildung. Wir pochen darauf, dass die Landesregierung und die kommende Bundesregierung die Tarifbindung substanziell stärken.
Eine hohe Tarifbindung ist für das wirtschaftliche Wachstum und die gerechte Aufteilung der Corona-Kosten wichtig. Sie sichert gute Arbeit und nützt der Allgemeinheit."
Der DGB fordert, dass öffentliche Aufträge und Fördergelder, etwa zur Gestaltung einer gerechten Transformation, nur dorthin fließen, wo Tarifverträge gelten. Kunzmann weiter: "Der Staat darf nicht mit
Steuergeldern Lohndrückerei unterstützen. Bund, Land und Kommunen müssen die Vergabe öffentlicher Aufträge endlich an Bezahlung nach Tarif knüpfen."
Im Falle einer Aufspaltung oder Abspaltung eines Unternehmens sollten Tarifverträge bis zu einer neuen Regelung fortgelten. Zudem muss es leichter werden, Tarifverträge für alle Unternehmen einer Branche
allgemeinverbindlich zu erklären.
In Baden-Württemberg profitieren 48 Prozent der Beschäftigten von einem Tarifvertrag (Stand 2019 laut wsi.de). Im Jahr 2000 waren es noch 68 Prozent. Gründe für die sinkende Tarifbindung sind steigende
Mitgliedschaften in den Arbeitgeberverbänden ohne Tarifbindung sowie Neu- und Ausgründungen von Betrieben ohne Tarifbindung.
Die DGB-Berechnungen basieren auf der jüngsten Verdienststrukturerhebung (VSE) nach Beschäftigten mit und ohne Tarifbindung, die das Statistische Bundesamt zuletzt für das Jahr 2018 erhoben hat. Im Vergleich zur ersten
Auswertung für das Jahr 2014 sind die gesamten Kosten der Tarifflucht um 3,4 Milliarden Euro auf 11,3 Milliarden Euro gestiegen.
Ansprechpartner:
bei Fragen zu Baden-Württemberg:
Stefan Rebmann, Abteilungsleiter Wirtschaftspolitik beim DGB Baden-Württemberg (mobil: 0175 29 24 218 mail: stefan.rebmann@dgb.de)
bei Fragen zur Datenberechnung:
Dr. Robby Riedel, DGB Bundesvorstandsverwaltung (fon: 030 2 40 60-302 mail: Robby.riedel@dgb.de )
Forderungen zur Stärkung der Tarifbindung:
https://www.dgb.de/-/Z9E
Tabellarische Übersicht zur Tarifflucht in Baden-Württemberg finden Sie hier.
Letzte Änderung: 28.10.2021